Insel der blauen Delphine by O'Dell Scott

Insel der blauen Delphine by O'Dell Scott

Autor:O'Dell, Scott [O'Dell, Scott - Insel der blauen Delphine]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-12-07T05:00:00+00:00


Kapitel 16

Das Schiff der weißen Männer kam nicht. Es kam weder im Frühjahr noch im Sommer. Dennoch hielt ich jeden Tag nach ihm Ausschau, ob ich oben auf der Bergkuppe Beeren sammelte, in der Bucht nach Muscheln suchte oder mein Kanu ausbesserte. Ich hatte mir noch keinen festen Plan zurechtgelegt für den Fall, dass die Aleuter kämen. Ich konnte mich in der Höhle verstecken, denn sie war von dichtem Gebüsch umgeben und die Schlucht, in der sie sich befand, war für einen Fremden fast unzugänglich. Von den Vorräten, die ich in die Höhle geschafft hatte, konnte ich einen ganzen Sommer lang leben. Und was die Quelle betraf, so wussten die Aleuter anscheinend nichts von ihr; jedenfalls hatten sie sie das letzte Mal nie benutzt, da es ja in der Nähe ihres Lagers eine andere gab. Immerhin musste ich damit rechnen, dass sie zufällig darauf stoßen und danach die Höhle entdecken würden, und dann musste ich zur Flucht gerüstet sein. Mich verstecken oder fliehen - etwas anderes blieb mir nicht übrig, wenn die Aleuter kamen. Und zum Fliehen benötigte ich ein Kanu. Die Kanus, die meine Leute am Südzipfel der Insel zurückgelassen hatten, waren vom langen Liegen an der Sonne ausgetrocknet und rissig geworden. Dazu kam, dass ich sie nicht allein aus ihrem Versteck zerren und ans Wasser hinunterstoßen konnte. Sie waren zu schwer, selbst für ein Mädchen, das so kräftig war wie ich. Es blieb mir nur das Kanu, das ich nach meiner großen Fahrt an der Landzunge zurückgelassen hatte. Ich begab mich dorthin. Das Kanu lag unter dem Sand begraben. Ich arbeitete mehrere Tage lang, bis ich es endlich freigelegt hatte. Das Wetter war milde, weshalb ich nicht in mein Haus zurückkehrte, sondern auf der Landzunge bleiben konnte und nachts im Kanu schlief. Dadurch ersparte ich mir viel Zeit. Auch dieses Kanu war zu groß für mich. Ich brachte es kaum von der Stelle. Um es zu verkleinern, lockerte ich nacheinander alle Planken, zerschnitt die Sehnen, mit denen sie zusammengebunden waren, und erhitzte das Pech in den Fugen. Mit scharfen Messern aus schwarzem Stein, den man an einer bestimmten Stelle auf der Insel findet, sägte ich die Planken in der Mitte entzwei und fügte sie mit frischem Pech und Sehnen wieder zusammen. Als ich mit dieser Arbeit fertig war, sah das Kanu bei Weitern nicht mehr so hübsch aus . wie vorher, aber ich konnte es wenigstens vom Boden heben und ohne große Mühe ins Wasser schieben. Fast einen ganzen Sommer lang arbeitete ich an dem Kanu und in all dieser Zeit blieb Rontu bei mir. Bisweilen schlief er im Schatten des Bootes oder er rannte an der Landzunge auf und ab, um die Pelikane zu verjagen, die sich dort in Scharen niederlassen, weil es in der Nähe viele Fische gibt. Er rannte sich die Zunge aus dem Hals, aber einen Pelikan erwischte er nie. Er hatte sich gleich an seinen Namen gewöhnt, wie übrigens an viele andere Worte, die für ihn etwas Besonderes bedeuteten. Zalwit, zum Beispiel, hieß Pelikan und Naip hieß Fisch.



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